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Tönerne Geister erwachen zum Leben

Bericht in den BNN, 22.05.2003


Die sagenumwobenen Bocksbachgeister sind wieder da. Besonders nach stürmisch-verregneten Tagen lassen sie sich neuerdings auch am helllichten Tag an den Ufern des Bocksbachs in Kleinsteinbach blicken. Nixen und Gnome hocken da auf einem bemoosten Felsblock, andere strecken ihre wild zerzausten Schöpfe aus dem Schattendickicht der Uferbäume. Und an zwei Stellen tanzen die sonst so scheuen Geister sogar auf schwankenden Ästen im Wind. Gestern Abend erschienen sie zum ersten Mal auch den Mitgliedern des Ortschaftsrats, die den neuen "Nachbarn" einen Teil ihrer Ortsbegehung widmeten.

Der Pfinztaler Skulpturenpfad ist um eine Attraktion reicher. 28 Sechstklässler des Durlacher Markgrafen-Gymnasiums haben sich mit der Sage von den Bocksbachgeistern befasst, mit ihrer Kunstlehrerin Andrea Bienhaus phantasievolle, handtellergroße Tongestalten modelliert und zusätzlich menschengroße, wilde Waldgeister - aus Sackleinen, Holzwolle, Rinde, Draht-und Bambus geschaffen.


Susannes getöpferter Gnom trägt Hörner und Elchschaufeln und hat eine markante Hufeisennase. Wie eine Rosenkugel ist er zusammen mit den anderen Bachgeistern auf gewachsenes Holz am Ufer gesteckt. Auch Christophers Kunstobjekt ist besonders innig mit der Natur am Bach verbunden: Der Kopf seines Waldgeistes ist bepflanzt, lebendes Grün sprießt auf der Schädelpartie aus Schottersteinchen.

"Das ist eine große Bereicherung für unseren Kunstpfad", lobte die Kleinsteinbacher Ortsvorsteherin Barbara Schaier die jungen Künstler, die entlang der Pfinz geradelt waren, um ihre Werke persönlich zu überbringen. "So lebt der Skulpturenpfad wieder neu auf." Sogar die erklärenden Tafeln sind Teil des großzügigen Geschenks der Schule.

Der in Berghausen lebende Mathematiklehrer Helmut Siegele und der bundesweite Wettbewerb www.unterricht-innovativ.de (jetzt www.lehrerpreis.de) stecken hinter dem jüngsten Kunstprojekt in Pfinztal. Die Anfrage des Durlacher Gymnasiums sei sofort positiv aufgenommen worden vom Pfinztaler Bürgermeister Heinz E. Roser und Wolfgang Kröner, der im Rathaus zuständig ist für die Betreuung des Skulpturenpfads, berichtet Siegele, der seit 16 Jahren mit ungewöhnlichen Lehrprojekten auf Preisjagd geht. Den aktuellen Wettbewerb betreut der Deutsche Philologenverband, die Durlacher Teilnehmer haben mehr als 280 Konkurrenten. Das Konzept ist, Lehrer für außergewöhnliches Engagement zu belohnen; der Sieger wird am 24. September in Berlin gekürt. Maximal 5 000 Euro Preisgeld sind zu gewinnen.

Viele Mitstreiter für das fächerübergreifende Projekt fand Siegele, der "Motor" und siegerfahrene Projektbegleiter, bei den Kollegen, die in der 6a unterrichten. Der Sport- und Erdkundelehrer Markus Zehnle nahm mit der Klasse Buntsandstein und Muschelkalk unter die Lupe und radelte selbst mit, der Musiklehrer Hanspeter Neumaier studierte passende Lieder zur Radtour ein, samt Klarinetten- und Querflötenbegleitung. Stationen zu Unterrichtsthemen in Deutsch und Latein baute die Klassenlehrerin Alexandra Müller in die Radtour ein. Siegele eichte die Sechstklässler schließlich noch in Sachen Internetrecherche und machte sie mit Naturphänomenen vertraut, wie der zeitweise reißenden Fließgeschwindigkeit des Bocksbachs.

"Als ich zur Besichtigung herkam, sah ich gleich: Hier fehlt etwas von uns, etwas ganz in die Natur Integriertes", schmunzelte die Durlacher Kunstpädagogin nach dreistündiger Installationsarbeit zusammen mit Siegele. In drei "Geisterstunden" beschwor Andrea Bienhaus das Rauschen des Baches, die Äste, die sich im Wind biegen, das satte Sandsteinrot der Ufer. Mehr Unterstützung brauchte keins der Kinder, berichtet sie. Wie von Zauberhand entstanden Nixen mit Fischschwanz oder Blütenthron, Zaubergestalten mit spitzem Hut oder Blätterkrone, glubschäugige Gnome und amphibische Tiergestalten.

Zu Wochenbeginn zog die Lehrerin das letzte Kunstwerk aus dem Brennofen, die Eltern wussten angeblich von nichts. Einige trafen aber doch zur Vernissage am Bach ein. "Ich finde die Überraschung toll gelungen", lachte der Elternvertreter Detlef Schulze. Ihn freut auch die neue Unterrichtsform: "Eine ideale Verknüpfung des reinen Lernens mit der Natur! "

Text: Kirsten Etzold, Bilder: Benitz

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